Inkscape 101

Sebastian Birnbach

11. April 2023

Schöner Leben mit Open Source

Eine Patentanmeldung hat in der Regel mindestens eine Figur. Damit die Figuren was gleich schauen, lässt man sie von einem Zeichner machen, klar. Wenn man Glück hat, liefert der Erfinder schon passende Vorlagen. (Wenn man Pech hat, sind die nicht brauchbar, und man steht wieder am Anfang.) So oder so, am Ende muss man doch selbst Hand anlegen: eine Korrektur, ein weiteres Bezugszeichen, eine einfache Figur, die man doch locker selbst machen kann…

Von aller Software, die man für die Bearbeitung von Zeichnungen verwenden kann, ist meiner Ansicht nach PowerPoint die schlechteste. Einfach deshalb, weil man nicht gleich merkt, dass es sich nicht um ein Zeichen-, sondern ein Präsentationsprogramm handelt, das für die Erstellung von Zeichnungen praktisch nicht geeignet ist. Das merkt man vielleicht erst später, wenn man zum Zeichnen eines Rechtecks vier Klicks braucht oder jede Linie erst mal schillernd in blau und mit einem Schatten daherkommt. Insofern ist sie eine noch schlechtere Wahl als, sagen wir, Tetris.

Man muss nicht viel Geld für angemessene Zeichensoftware ausgeben, beispielsweise für ein Adobe-Produkt oder die Corel-Suite. Diese beiden kann man übrigens nicht mal kaufen, sondern nur mieten, so wie Glück oder Bier. Ich kenne mindestens zwei Open Source Programme, mit denen man professionelle Vektorgrafiken erstellen kann und die in Reife und Funktionsumfang mit den Platzhirschen durchaus vergleichbar sind.

Das eine ist LibreOffice, eine Office-Suite, vergleichbar mit der von Microsoft. In puncto Zeichnungen entscheidend: LibreOffice kann nicht nur Präsentationen wie PowerPoint, sondern auch Zeichungen. Den Unterschied erfährt man am schnellsten selbst, indem man eine beliebige Figur einmal als Präsentation und einmal als Zeichnung anfertigt. Hase und Igel.

Das andere ist Inkscape, das neulich seinen 20. Geburtstag feiern konnte. Deutlich funktionsstärker als eine Office-Komponente und von vielen professionellen Grafikern genutzt. Ein paar Basics sollte man allerdings schon draufhaben, beispielsweise die Arbeit mit Ebenen, mehrteiligen Canvas, Ausrichten, Klonen oder die Unterscheidung zwischen einem Pfad und einer Kontur. Dazu gibt es massenhaft Informationen und Anleitungen, übrigens auch ein sehr gutes Wiki. Übersteht man die ersten zwei Stunden der Arbeit mit Inkscape, bekommt man schon ganz ansehnliche Figuren zusammen. Und man könnte merken, dass der Funktionsumfang wirklich sehr angemessen für Patentzeichnungen ist.

Die Lernkurve von Inkscape kann länger sein, wenn man professionell damit arbeiten will, ist aber nur am Anfang steil. Hier möchte ich von einer Funktion sprechen, die mir das Leben bedeutend leichter macht. Ausgangssituation ist wie folgt:

Die Linien für die Bezugszeichen BZ1 und BZ2 (zur Verdeutlichung sehr breit dargestellt) verlaufen über ein dunkles Objekt, wo sie nicht zu erkennen sind. Das kann schon mal eine Formalbeanstandung vom Amt geben und dann sollte man begründen können, was der objektive Offenbarungsgehalt der Zeichnung denn sein soll.

Um die Linien überall sichtbar zu machen, kann man sie an den dunklen Objekten stückweise mit weißen Linien übermalen.

Schon gar nicht so schlecht, hat aber ein paar Nachteile. Zunächst ist es gar nicht so einfach, die fehlenden Segmente optisch gut passend zu zeichnen. Die Übergänge zwischen heller und dunkler Linie passen in der Regel nicht genau, denn die Linien haben andere Enden als die Kante zwischen hell und dunkel im Hintergrund. Am oberen Ende der BZ1-Linie kann man das schön sehen. Und sollte ein Element der Zeichnung verschoben werden, muss man aufwändig nachbearbeiten. Wenn der Hintergrund komplexer ist, erwartet einen viel Arbeit, denn dann hat jede Linie mehrere helle und dunkle Teile.

Eine andere Lösung nutzt den “Mischmodus” von Inkscape. Der gibt an, wie sich Elemente verhalten, die übereinander liegen. Mit dem Modus “Exklusiv-Oder” kommt man zum Ziel, denn die Linie wird hell, wo der Hintergrund dunkel ist, und dunkel, wo er hell ist. Dazu muss die Linie hell eingefärbt sein.

Das Umschalten zwischen hell und dunkel erfolgt überall dort, wo unterschiedlich helle Elemente im Hintergrund aneinander angrenzen. An der Linie von BZ2 ergeben sich so immerhin drei helle und drei dunkle Abschnitte.

Der Trick funktioniert zunächst nur dort, wo die Linie über ein eingefärbtes Objekt verläuft; über einem transparenten Objekt oder dem Hintergrund bleibt sie weiß und somit unsichtbar. Abhilfe schafft ein helles (weißes) Objekt, das man unter bzw. hinter den fraglichen Bereich legt. Damit dieses Objekt bei der Arbeit nicht stört, kann man es auf eine tiefere Ebene legen und die Ebene gegen Bearbeitung schützen.

Et voilà, wir haben eine Linie, die automatisch ihre Farbe in Abhängigkeit des Hintergrunds wechselt und überall sichtbar ist. Natürlich kann man alle Bezugszeichen-Linien der Zeichnung auf diese Weise anlegen und das erwähnte helle Objekt im Hintergrund über die gesamte Zeichnung ausdehnen. Das könnte bei manchen Zeichnungen ein bisschen nervös wirken, aber Formaleinwände gibt es definitiv keine mehr.

Hier die Vorgehensweise nochmal in Kurzform:

  • Bezugszeichenlinie erzeugen, z. B. mit dem Bézier-Tool
  • Mischmodus (CMD-Shift-F, Dropdown unten rechts) auf Exklusiv-Oder setzen
  • Linie hell einfärben (Shift-Klick auf Weiß)
  • Die Linie ist jetzt hell, wo sie über einen dunklen Bereich verläuft, und dunkel, wo sie über einen hellen Bereich verläuft
  • Damit die Linie auch über der leeren Zeichenfläche sichtbar ist, einen hellen Hintergrund (z. B. ein weißes Rechteck mit einer weißen Begrenzungslinie) unter den Bereich legen
  • Der Hintergrund kann in eine unter der Zeichenebene liegende Ebene gelegt werden, die anschließend gegen Änderung geschützt werden kann

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